Juden in München - Jews in Munich

 

 

In Memoriam Dr. Simon Snopkowski s"l

 

 

Süddeutsche Zeitung; Dienstag, 4.12.2001

Engagierter Kämpfer gegen die Intoleranz

Simon Snopkowski, seit 30 Jahren Präsident der Israelitischen Kultusgemeinden im Freistaat, ist tot

 

Simon Snopkowski, der seit 1971 dem Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern als Präsident vorstand, ist tot. Der 77-Jährige starb nach langer, schwerer Krankheit in München im Kreis seiner Familie. Nicht nur der Titel seiner Memoiren („Zuversicht trotz allem") zeugte davon, dass Snopkowski – obwohl er Schreckliches durchleben musste – ein Mensch war, der sich auch von Schicksalsschlägen nicht vom Weg abbringen ließ. Hoffnung schöpfte er als orthodoxer Jude aus dem Glauben. „Ohne Religion und Glaube ist alles menschliche Tun und Wirken unzulänglich", sagte er einmal.

Am 23. Juni 1925 in der polnischen Grenzstadt Myszkow geboren, wurde Simon Snopkowski als Jugendlicher 1939 Zeuge, wie deutsche Truppen seine Heimat überrollten und besetzten. Sein Vater Szlomo und sein Bruder Pinchas wurden von der SS erschossen, seine Mutter und seine Schwestern in Auschwitz vergast. Snopkowski selbst kam im niederschlesischen Langenbielau in ein Nebenlager des KZ Groß-Rosen. 1945 wurde er – damals 20 Jahre alt – von Soldaten der Roten Armee befreit.

In seiner Heimatstadt Myszkow standen zwar noch die Häuser, doch Juden lebten dort keine mehr. Simon Snopkowski folgte dem Strom der aus den Konzentrationslagern Befreiten in die amerikanische Zone, und kam als „Displaced Person" in das Auffanglager im oberbayerischen Landsberg. Die meisten seiner Freunde hatten damals nur ein Ziel: Weg aus diesem Land der Täter, so schnell wie möglich die Grauen der Vergangenheit hinter sich lassen. Snopkowski aber blieb: „Ich musste hier in diesem Land unsere jüdische Kontinuität wahren, anknüpfen an die Zeit vor der Katastrophe." Über das Leid seiner Familie, über sein eigenes Leid hatte Simon Snopkowski bis zum Erscheinen seiner Memoiren nur wenig erzählt. Wenn er etwas für berichtenswert hielt, so war dies stets das jüdische Verbandsleben, die Arbeit jüdischer Gemeinden im Nachkriegsdeutschland und das jüdische Kulturleben – all das, was er als seine Lebensaufgabe betrachtete. Dies änderte sich erst, als er krank wurde und der Tod – wieder einmal – so nahe schien. Gedrängt von seinen beiden Kindern, begann er zu schreiben. Der Münchner Olzog-Verlag veröffentlichte die persönlichen Erinnerungen – Snopkowski war schließlich nicht nur Familienvater, sondern auch ein Zeitzeuge, der die jüngste Geschichte mitgeprägt hatte. Das fing an bei der Leitung des fast in Vergessenheit geratenen „Jüdischen Studentenverbandes der Überlebenden" und mündete zuletzt in den Bemühungen, die jüdischen Kontingentflüchtlinge aus den GUS-Staaten in Bayern zu integrieren.

Als Krönung seines Lebenswerkes betrachtete Snopkowski, der bis 1987 als Chefarzt eines städtischen Krankenhauses in München tätig war, den von ihm forcierten Abschluss eines Staatsvertrages mit dem Freistaat Bayern. Dieser Vertrag besiegelte die rechtliche Gleichstellung der jüdischen Glaubensgemeinschaft mit der katholischen und der evangelischen Kirche in Bayern.

Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber würdigte den Verstorbenen gestern als einen „engagierten Kämpfer gegen Vorurteile, Intoleranz und Rassismus", der „den Dialog zwischen den religiösen Bekenntnissen und politischen Standpunkten gesucht, gefördert und gestaltet" habe. Kardinal Wetter sagte, er habe Snopkowski „als vertrauensvollen Gesprächspartner sehr geschätzt". Die Parteien im bayerischen Landtag erklärten übereinstimmend: „Der Tod von Simon Snopkowski ist ein schmerzlicher Verlust für Bayern."

Dietrich Mittler

 

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TAZ, 4.12.2001

JUDEN IN BAYERN

Snopkowski gestorben

 

Der Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Snopkowski, ist am Sonntag im Alter von 76 Jahren gestorben. Snopkowski habe seit über 30 Jahren als Verbandspräsident zum Wohle der Juden in Bayern gewirkt, so der Verband. (dpa)

taz Nr. 6617 vom 4.12.2001, Seite 9, 12 Zeilen, Agentur

 

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Fränkischer Tag Lokales 3.12.2001

Snopkowski gestorben

 

MÜNCHEN. Der Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Simon Snopkowski, ist im Alter von 76 Jahren gestorben. Das teilte der Landesverband am Montag in München mit. Die jüdische Gemeinschaft in Bayern trauere um einen Mann, der seit über 30 Jahren als Verbandspräsident zum Wohle der Juden in Bayern gewirkt habe, hieß es. Snopkowski war am Sonntag nach längerer Krankheit gestorben. Snopkowski hinterlässt Ehefrau und zwei erwachsene Kinder.

© Fränkischer Tag 2001

 

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Frankfurter Rundschau Politik 3.12.2001

ZUR PERSON - Simon Snopkowski

 

Der Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern ist nach längerer Krankheit im Alter von 76 Jahren gestorben. Das teilte der Landesverband in München mit. Snopkowski habe seit mehr als 30 Jahren als Verbandspräsident zum Wohle der Juden in Bayern gewirkt. "Der Wiederaufbau der Jüdischen Gemeinden in Bayern bestimmte von Anfang an sein Denken und Handeln", würdigte der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden den Verstorbenen. (dpa)

Copyright © Frankfurter Rundschau 2001

 

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Die Welt, Lokales 3.12.2001

Das jüdische Leben in Bayern wieder aufgebaut

Die Israelitische Kultusgemeinde trauert um ihren ehemaligen Präsidenten Simon Snopkowski

 

München - Schon als 14-Jähriger Gymnasiast an der deutsch-polnischen Grenze hat er Vieles vorhergesehen: "Über unseren Köpfen braut sich eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes zusammen. Europa steht vor einem Abgrund", schrieb Simon Snopkowski im August 1939 in einem Leserbrief an die polnische Zeitschrift "Signaly". Drei Jahre später, kurz nach seinem Abitur in Tschenstochau, wurde er von den Nazis wegen Kurierdiensten für Widerstandsgruppen ins Konzentrationslager Großrosen bei Breslau deportiert. Bis zur Befreiung des KZ durch die Rote Armee im Frühjahr 1945 war er dort eingesperrt. Wieder in Freiheit, war neben seinem ältesten Bruder keiner mehr aus seiner Familie am Leben.

Der spätere Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinde Bayerns hat über diesen Teil seiner Biographie nur ungern gesprochen. Aber auf das Drängen seiner Kinder hat er ihn vergangenes Jahr doch noch aufgeschrieben. Und als er fertig war mit seinen Memoiren, gab er ihnen den programmatischen Titel "Zuversicht trotz allem".

Ein ungeheurer Lebenswille hat den kleinen rundlichen Mann mit den wachen Augen und dem gütigen Blick zeitlebens getrieben. 1945 kam er nach Bayern. Zuerst ins Landsberger Lager für "Displaced Persons", ab 1946 studierte er in München Zahn,- und Humanmedizin. Schon damals engagierte er sich im Jüdischen Studentenverband, dann promovierte er in beiden Fächern. Vor allem aber setzte er sich mit ganzer Kraft für den Wiederaufbau jüdischen Lebens in Bayern ein. Einige seiner ehemaligen Landsleute haben ihn deshalb kritisiert und angefeindet, weil er sich freiwillig im Land der Täter niedergelassen hat. Doch Snopkowski wollte selbst dazu beitragen, neues jüdisches Leben entstehen zu lassen. 1960 wurde er Vizepräsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Bayern; elf Jahre später deren Präsident, was er auch dann noch blieb, als er längst als Chefarzt am Klinikum Rechts der Isar pensioniert war.

Die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, trauerte um Snopkowski gestern mit den Worten: "Mit ihm geht auch die Ära der Menschen zuende, die das Glück hatten, das Lager zu überleben." Daraus resultierte wohl auch seine große Einsatzbereitschaft - als Vorsitzender des Jüdischen Studentenverbands, der sich nach dem Krieg um die jüdischen Vollwaisen kümmerte, genau wie als Unfallarzt.

"Ich habe ihn einmal als Chirurg erlebt, damals als das Flugzeug über der Paulskirche abgestürzt ist. Tagelang war er auf den Beinen, unermüdlich", erinnert sich Charlotte Knobloch, die ihm sein Engagement bei der Integration zugezogener Juden aus Osteuropa besonders hoch anrechnet. Genau wie den Staatsvertrag aus dem Jahr 1997, mit dem der Freistaat Bayern, als materielle Wiedergutmachung für Verbrechen des NS-Regimes, jüdische Gedenkstätten pflegt und fördert.

Snopkowskis Anteil beim Zustandekommen dieses Vertrags würdigte denn auch der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber: "Simon Snopkowski war, so beharrlich er seine Überzeugungen zu vertreten wusste, immer ein Mann des Ausgleichs."

Am Sonntag ist Simon Snopkowski im Alter von 76 Jahren gestorben.

lsp

 

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Nürnberger Nachrichten Lokales 4.12.2001

Repräsentant der Juden tot - Trauer um Snopkowski

Politik und Kirche würdigen „Kämpfer gegen Intoleranz"

 

MÜNCHEN (dpa) – Der Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Simon Snopkowski, ist im Alter von 76 Jahren gestorben. Die jüdische Gemeinschaft in Bayern trauere um einen Mann, der seit über 30 Jahren als Verbandspräsident zum Wohle der Juden gewirkt habe, hieß es beim Landesverband.

Snopkowski war am Sonntag nach längerer Krankheit gestorben.

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber sowie CSU, SPD und Grüne hoben ebenso wie der katholische Münchner Erzbischof, Kardinal Friedrich Wetter, die Verdienste von Snopkowski um den christlich-jüdischen Dialog hervor. Er sei „ein engagierter Kämpfer gegen Vorurteile, Rassismus und Intoleranz" gewesen, erklärte Stoiber. Der SPD-Landeschef Wolfgang Hoderlein erklärte, Snopkowski habe mit seinem Vorantreiben des christlich-jüdischen Dialogs „die gesamte geistige Kultur in unserem Land im Sinne der Nächstenliebe und Menschlichkeit beeinflusst".

Die Grünen-Landesvorsitzenden Margarete Bause und Jerzy Montag erklärten: Die Tatsache, dass Juden nach 1945 Bayern wieder als ihre Heimat empfinden konnten, sei untrennbar mit seinem Namen verbunden. Kardinal Wetter erklärte, er habe Snopkowski „als einen guten und vertrauensvollen Gesprächspartner sehr geschätzt".

Snopkowski war von den Nazis im Juni 1942 ins KZ Großrosen bei Breslau deportiert worden. Er wurde im Frühjahr 1945 durch sowjetische Truppen befreit.

© NÜRNBERGER NACHRICHTEN

 

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Kondolenz  der

Pressemitteilung: 3. Dezember 2001

 

Ministerpräsident Stoiber kondoliert zum Tode von Simon Snopkowski

 

Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber hat der Ehefrau des verstorbenen Präsidenten des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern Ilse Snopkowski sein Beileid ausgesprochen. In seinem Kondolenzschreiben würdigte Stoiber Präsident Snopkowski als "herausragende Persönlichkeit im öffentlichen Leben unseres Landes".

Das Engagement Snopkowskis für die jüdischen Bürgerinnen und Bürger Bayerns und für die Demokratie im Freistaat habe ihm Ansehen und Respekt weit über die Kreise der Kultusgemeinden hinaus gesichert.

"In seinem verantwortungsvollen Amt setzte er sich für die konstruktive Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Gemeinden ein und widmete sich gerade in den letzten Jahren der Integration ihrer vielen neu hinzukommenden Mitglieder.

Mit beeindruckendem diplomatischen Geschick, eindringlicher Überzeugungskraft und der Ausstrahlung seiner faszinierenden Persönlichkeit gelang es ihm immer wieder, von seinem Kurs zu überzeugen und so das Geschick der Kultusgemeinden zu prägen", schrieb Stoiber.

Der Ministerpräsident stellte heraus, dass das Zustandekommen des Staatsvertrages zwischen dem Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden und dem Freistaat Bayern ganz maßgeblich dem unermüdlichen Einsatz des Verstorbenen zu verdanken sei. Snopkowski habe den Dialog zwischen den religiösen Bekenntnissen und politischen Standpunkten gesucht, gefördert und gestaltet. Der Verstorbene, der als junger Mann den Terror der Nationalsozialisten erleiden musste, sei ein engagierter Kämpfer gegen Vorurteile, Rassismus und Intoleranz gewesen. Als überzeugter Demokrat habe er Mitverantwortung in wichtigen Gremien und Bereichen getragen. Stoiber:

"Simon Snopkowski war, so entschieden und beharrlich er seine Überzeugungen zu vertreten wusste, immer doch ein Mann des Ausgleichs und der Versöhnung. Ich habe seinen Rat geschätzt, gesucht und dankbar angenommen."

 

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BUCH

 

 

 

 

 

 

 

 

Simon Snopkowski:

 

Zuversicht trotz allem - Erinnerungen eines Überlebenden in Deutschland

 

144 Seiten mit vielen Abbildungen, gebunden mit Schutzumschlag

 

DM 36,- / € 18,50

ISBN 3-7892-8037-2

 

OLZOG - Verlag

Der jüdische Gymnasiast Simon Snopkowski ist 13 Jahre alt, als 1939 deutsche Truppen seine Heimatstadt an der deutsch-polnischen Grenze überrollen; drei Jahre später ist die Stadt "judenrein", und für ihn beginnt der lange Weg durch die Lager, wo er unter höllischen Bedingungen versucht, Würde und Selbstachtung zu bewahren. Aus seiner Familie überlebt außer ihm nur sein ältester Bruder. Für sein Hierbleiben in Deutschland erfährt er oft Unverständnis und Anfeindungen, auch von seinen jüdischen Landsleuten. Er gehört zu denen, die freiwillig im Land der Täter geblieben sind, die bewirkt haben, dass in Deutschland neues jüdisches Leben entstehen konnte. 1997 schafft er durch den Staatsvertrag mit der bayerischen Regierung die langersehnte Grundlage für eine gesicherte Zukunft jüdischer Kultur und Religion.

 

Simon Snopkowski:

Dr. Dr. Simon Snopkowski wird 1925 im oberschlesischen Myschkow geboren. Als 17-jähriger leistet er Kurierdienste für die jüdische Widerstandsgruppe "ha-Schomer ha-Zair". 1942 wird er ins Konzentrationslager deportiert. Der Vater und sein zweitältester Bruder werden erschossen, die Mutter mit den beiden Schwestern und dem jüngsten Bruder in Auschwitz vergast. 1945 kommt er nach Bayern, das Landsberger Lager für "Displaced Persons" ist die erste Station seiner wiedererlangten Freiheit. Er studiert Zahnmedizin und Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität und wird Chirurg. Mit aller Kraft setzt er sich für den Wiederaufbau jüdischen Lebens in Bayern ein.