Presse-Infos zum Fall >Malloth< (3)

 

 

SS-Scharführer Anton Malloth  

Frankfurter Rundschau Politik 22.5.2001 23:3

 

"Opfer: ein alter Jude. Tötungsart: erschlagen."

In München steht der ehemalige SS-Mann Malloth vor Gericht - Peter Finkelgruen hatte ihn 1989 angezeigt

 

Zwölf Jahre hat Peter Finkelgruen dafür gekämpft, dass Anton Malloth, der ehemalige SS-Mann und Aufseher in der "Kleinen Festung Theresienstadt", wegen Mordes an Finkelgruens Großvater Martin vor Gericht gestellt wird. Der Prozess gegen Malloth geht nun zu Ende, am Mittwoch kommender Woche wird das Urteil gegen den des dreifachen Mordes angeklagten Ex-SS-Mann erwartet. 

Mit Finkelgruen sprach die Kölner FR-Korrespondentin Ingrid Müller-Münch.

 

FR: Was bedeutet es für Sie, dass Anton Malloth in München vor Gericht steht - zwar nicht wegen des Mordes an ihrem Großvater, aber wegen dreifachen Mordes an anderen Häftlingen aus Theresienstadt?

 

Finkelgruen: Das Münchener Verfahren ist für mich eine Bestätigung dessen, was ich seit zwölf Jahren behaupte: Anton Malloth hätte längst wegen Mordes angeklagt werden können. Zeugen von zwei der drei in München angeklagten Morde waren der Dortmunder Staatsanwaltschaft bekannt, die seit 1970 in Sachen Theresienstadt ermittelte. Diese Zeugen sind auch schon in Dortmund gehört worden. Für mich ist das der Beweis dafür, dass die verantwortlichen Staatsanwälte der Dortmunder Zentralstelle für die Verfolgung von NS-Verbrechen einfach kein Interesse daran hatten, Malloth anzuklagen. Gegen 146 Gestapo-Angehörige und SS-Aufseher haben die Dortmunder allein wegen 764fachen Mordes in der "Kleinen Festung Theresienstadt" ermittelt. Nicht in einem Fall kam es zur Anklage.

 

War unter diesen Verfahren auch das wegen des Mordes an Ihrem Großvater Martin Finkelgruen?

 

Ja. In einer Einstellungsverfügung der Dortmunder Behörde aus dem Jahr 1979 fand ich einen Hinweis auf den Tod des Großvaters. Da stand: Fall 39. Tatzeit: zweite Hälfte des Jahres 1942. Tatort: Block A. Täter: Malloth. Opfer: Ein alter Jude.

Tötungsart: erschlagen.

 

Wie sind Sie überhaupt auf die Spur von Anton Malloth gekommen?

 

Anfang 1989 besuchte ich eine alte Freundin meiner Großmutter. Sie war 1942 ebenfalls Häftling in Theresienstadt gewesen. Diese Frau erzählte mir, dass ihr ein Häftling geschildert hatte, wie der SS-Mann Anton Malloth am 10. Dezember 1942 meinen Großvater zu Tode prügelte.

 

Was haben Sie daraufhin unternommen?

 

Ich stellte umgehend Strafanzeige gegen Anton Malloth bei der hierfür zuständigen Dortmunder Staatsanwaltschaft. Damals kannte ich die Vorgeschichte nicht, die die Dortmunder mit Malloth da schon hatten. Seit 1973, seitdem bekannt war, dass Malloth noch lebte, richteten sich die Ermittlungen auch gegen diesen Mann. "Der schöne Toni", wie der in Theresienstadt als besonders grausam geltende Aufseher genannt wurde, war 1948 in der Tschechoslowakei in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Malloth hatte sich zu dem Zeitpunkt nach Österreich abgesetzt.

In Dortmund wurde seine Akte stets mit dem Vermerk "(u)" geführt, also Aufenthaltsort unbekannt. Dabei war Malloth seit 1962 in Meran polizeilich gemeldet und hatte sich 1968 im deutschen Generalkonsulat in Mailand einen deutschen Pass ausstellen lassen, der 1973 verlängert wurde. Über dies alles informierte im April 1973 der Vorsitzende der jüdischen Kultusgemeinde in Meran das Bundeskanzleramt in Bonn. Kurz darauf schrieb das Bundesjustizministerium dem Gemeindevorsitzenden zurück, es gebe gegen Malloth keinerlei Ermittlungen. Zu einem Zeitpunkt, als die Dortmunder genau dies taten.

1979 stellten die Dortmunder ihre lustlos geführten Ermittlungen erstmals ein. 1988 wurde Malloth dann überraschend aus seinem Meraner Haus nach München ausgewiesen. Als ich 1989 meine Anzeige erstattete, lebte er in einem Münchener Altersheim. Den Platz hatte ihm Gudrun Burwitz, die in München lebende Tochter Heinrich Himmlers, über die "Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte e.V." besorgt. Eine Organisation, die Alt-Nazis betreut.

 

Damals hatten Sie ja offenbar noch die Hoffnung, dass der Mord an Ihrem Großvater gesühnt würde?

 

Ja. Ich wusste da noch nicht, was in den folgenden Jahren alles auf mich zukommen würde. Die Dortmunder Staatsanwaltschaft zeigte keinerlei Interesse, die Sache voranzutreiben. Zeugen, die ich daraufhin selbst aufsuchte und befragte, glaubte der zuständige Oberstaatsanwalt Klaus Schacht die Schilderung des Mordes an Martin Finkelgruen nicht, und zwar allein deswegen, weil nach all den Jahren Tatzeitpunkt und Tatort verwechselt wurden. Also wurde das Ermittlungsverfahren gegen Anton Malloth erneut eingestellt.

 

War das dann das Ende Ihrer Bemühungen um einen Strafprozess wegen des Mordes an Ihrem Großvater?

 

Auf gar keinen Fall. Von da an ging es erst richtig los. Filme wurden über Malloth und die Dortmunder Ermittler gedreht, Bücher veröffentlicht. Theaterstücke aufgeführt. Es kam zu einem heftigen Disput zwischen dem Publizisten Ralph Giordano und dem Dortmunder Oberstaatsanwalt Klaus Schacht, der von dem Kölner Publizisten wegen seiner unproduktiven Ermittlungen gegen Malloth heftig kritisiert worden war. Die Sache war also längst nicht beendet.

Vor über einem Jahr kam aus Prag eine neue Zeugenaussage, die Malloth schwer belastete. Die Dortmunder, denen sie zunächst zuging, gaben sie kurzerhand an die Münchener Ermittler weiter. Dort kam es dann überraschend zu Ermittlungen, zur Anklage, zum Prozess.

 

Wie beurteilen Sie es, dass die Münchener Ermittler so zügig vorangingen?

 

Die Tatsache, dass der Prozess in München stattfand, ist für mich der Beweis dafür, dass Dortmund das Strafverfahren einfach nicht vorangetrieben hat. Aber auch das Münchener Verfahren krankt an der Justizgeschichte dieses Landes: Gleich zu Prozessbeginn wurde - allerdings erfolglos - ein Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter gestellt. Ich finde, er hätte das Verfahren nicht führen dürfen. Denn sein Vater war von 1942 bis 1944 Oberlandgerichtsrat in Leitmeritz, einem Ort in unmittelbarer Nähe von Theresienstadt. In Leitmeritz wurde aber auch Malloth 1948 in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Aus Leitmeritz und Umgebung kommen Zeugen im jetzigen Prozess. Ich finde, dass es jeder psychologischen Erkenntnis widerspricht, wenn behaupteten wird, eine solch örtliche Nähe in der Familienchronik des Richters und der Geschichte des Angeklagten könne einen Menschen unbefangen an die Sache herangehen lassen.

Trotz alledem: Für mich ist die Sache Malloth seit dessen Verhaftung emotional abgeschlossen. Das war es, was ich immer wollte. Dabei ist mir klar, dass der Mord an meinem Großvater ungesühnt bleiben wird.

 

Copyright © Frankfurter Rundschau 2001

Erscheinungsdatum 23.05.2001

 

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Welt, Die Lokales 22.5.2001 22:20

 

Beinwunde vereitelt Entlastung von Malloth

Von Michaela Koller

 

München - Die Verteidigung des mutmaßlichen NS-Verbrechers Anton Malloth ist mit dem Versuch, den Angeklagten von einem Mordvorwurf zu entlasten, gescheitert. Mit einem unfallchirurgischen Gutachten wollte Rechtsanwalt Ernst-Günter Popendicker zeigen, dass der Hauptbelastungszeuge Albert M. (80) im Oktober 1944 nicht im Hof der "Kleinen Festung Theresienstadt" stehen und einen grausamen Mord Malloths beobachten konnte. Der Zeuge sei zu dem Zeitpunkt verletzt gewesen und damit unfähig gewesen, stundenlang zu stehen. Die Wunde habe stark geblutet, hatte der Verteidiger in seinem Plädoyer vergangene Woche argumentiert. Der Gerichtsmediziner Professor Wolfgang Eisenmenger widersprach gestern dieser Darstellung. Trotz der Wunde sei der Zeuge durchaus in der Lange gewesen, auf dem Gefängnishof anwesend zu sein.

Das "Strafe stehen" war eine perfide Folter, mit der die SS-Leute kleine Vergehen der Gefangenen ahndeten. Stundenlang musste der Bestrafte mit ausgestrecktem Arm einen Ziegelstein halten.

So auch Albert M., weil er in dem KZ nach seiner Mutter gesucht hatte. Gerichtsmediziner Eisenmenger sagte, dass "unter Todesandrohung" selbst schwache und kranke Menschen Dinge leisteten, "die sie unter Normbedingungen nicht leisten könnten".

Im Kampf ums Überleben wuchs der tschechischen Widerstandskämpfer Albert M. über sich hinaus. Bereits zwei Wochen nachdem SS-Mann Robert Sturm ihn mit einem eisenbeschlagenen Schuh am Bein verletzt hatte, verrichtete er wieder seine Zwangsarbeit im Bauhof. Die drei Zentimeter lange Wunde von dem Tritt habe sich erst später entzündet, berichtete er gestern. Er sei daran nach dem Krieg zehn Mal operiert worden. Dadurch wurde die Narbe 16 Zentimeter lang. Verteidiger Popendicker war wegen der Länge irrtümlich von einer größeren Wunde ausgegangen. Darauf zog er die Schlussfolgerung, dass Albert M. nicht beobachtet haben konnte, wie sein Mandant einen Häftling im Gefängnishof erschlug. Der 80-jährige Zeuge hatte bei seiner ersten Aussage im Prozess beschrieben, wie der SS-Aufseher zur Strafe mit einem langen, dicken Holzstock auf das Opfer einschlug. Der Gefangene hatte zuvor beim Zählappell gefehlt. Irrtümlich war er nach dem Arbeitseinsatz zu seiner Zelle gegangen. Seiner Aussage zufolge schlug Malloth immer wieder auf Kopf und Schultern des Mannes ein, bis dieser vornüber mit dem Gesicht zu Boden kippte. Schließlich brüllte er in Richtung der Zelle für die jüdischen Häftlinge, sie sollten ihn in die Totenkammer tragen. Das Urteil soll am 30. Mai verkündet werden.

 

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Prozess gegen den früheren SS-Scharführer Anton Malloth vor dem Schwurgericht München

Dienstag, 15. Mai 2001

 

Zeuge erkennt in Malloth den Mörder eines Häftlings wieder

 

Ein weiterer Zeuge hat den früheren SS-Scharführer Anton Malloth schwer belastet. Im September 1943 hatte Jiri K. beobachtet, wie Malloth während der Blumenkohlernte auf einem Landgut in der Nähe von Theresienstadt mit einem Stock auf einen Häftling einschlug. Mehrmals habe er mit dem Stock auf den Kopf des Mannes eingeprügelt, bis dieser taumelte. Dann habe Malloth seine Pistole gezogen und aus nächster Nähe zwei bis drei Mal auf das wehrlose Opfer geschossen. Reglos sei das Opfer im Blumenkohlfeld liegen geblieben. „Wir gingen davon aus, dass er tot ist", sagte der heute 76-jährige Rentner. „Er rührte sich nicht mehr, kein Stöhnen, kein Laut war mehr zu hören." Jiri K. ist sich sicher, dass Malloth der Täter war. „Nein, ich habe keinen Zweifel", sagte er auf die Frage von Richter Jürgen Hanreich, ob er den Angeklagten wiedererkenne. Von Landarbeitern hat er später erfahren, warum der Häftling sterben musste – er hatte einen Blumenkohl unter seinem Hemd versteckt.

Jiri K. ist gesundheitlich schwer angeschlagen, gestützt auf Krücken betritt der den Konferenzraum der JVA Stadelheim. Doch an die ruchlose Tat vor mittlerweile fast 58 Jahren, die ihn damals tief erschütterte, kann er sich gut erinnern. Durch die Freundschaft mit einem Sohn der Familie war er auf das Gut in der Nähe von Theresienstadt gekommen. Regelmäßig arbeitete er auf den Feldern und erhielt dafür etwas Geld, vor allem aber Lebensmittel, die halfen die Familie in Prag über die schwere Zeit zu bringen. Neben den Landarbeitern mussten auch Häftlinge aus Theresienstadt auf den Feldern arbeiten, die von SS bzw. SD-Männern bewacht wurden. So auch an diesem Tag im September 1943. Zusammen mit anderen Landarbeitern lud Jiri K. Blumenkohlköpfe auf einen Karren, als ihn plötzlich „ein Geschrei und das Gebrüll von Malloth" aus seiner Tätigkeit riss. Aus 30-45 Meter Entfernung konnte er das Geschehen genau beobachten. Malloth, in der Gegend berüchtigt für seine Brutalität, habe den Häftling nach den Schüssen einfach liegen gelassen. Auch kein anderer sei ihm zu Hilfe gekommen. „Alle taten so, als sei nichts geschehen", sagt Jiri K. Aus Angst als Augenzeugen selber zur Zielscheibe der SS zu werden sei er nach 20 Minuten zusammen mit den Arbeitern ins Dorf gegangen.

Mit leiser Stimme schildert Jiri K. detailliert Malloths Erscheinung. „Er trug Stiefel, grau-grüne ‚Reithosen’ und Jacke sowie eine Mütze mit schwarzem Schild, die wir ‚Schiffchen’ nannten, am Gürtel hing seine Waffe." Ein „fescher junger Mann" mit vollem dunklen Haar sei er gewesen, immer auf ein gepflegtes Äußeres und den korrekten Sitz seiner Waffe bedacht. Den „schönen Toni" nannten die Häftlinge des Gestapo-Gefängnisses „Kleine Festung Theresienstadt" Malloth wegen dieser Eitelkeit. Vor allem sein „höhnisches Lächeln" sei ihm im Gedächtnis geblieben, sagte Jiri K.

Mit seiner Aussage am 8. Oktober 1999 vor der Obersten Staatsanwaltschaft in Prag hatte Jiri K. den Prozess in München ins Rollen gebracht. Die Dortmunder Staatsanwaltschaft, die zu diesem Zeitpunkt die Ermittlungen gegen Malloth gerade zum dritten Mal eingestellt hatte, gab die neuen Erkenntnisse an ihre Münchner Kollegen weiter, deren Ermittlungen den ehemaligen SS-Mann im Mai vergangenen Jahres schließlich hinter Gitter brachten. Seitdem sitzt Malloth wegen dreifachen Mordes und Mordversuchs in Stadelheim in Untersuchungshaft.

Dass Jiri K. erst jetzt aussagte, liegt an der Tragik seines weiteren Lebenswegs: Ende September 1944 wurde er wegen der Beteiligung an einer studentischen Widerstandgruppe von der Gestapo verhaftet und ins KZ Osterode deportiert. Nach der Befreiung holte er Abitur nach und wurde Chemiker. Den Regierenden der CSSR galt er indes bald schon als „unzuverlässiges Element", für ein Jahr verschwand er in einem Arbeitslager. So behielt Jiri K. sein Wissen für sich, bis er vor zwei Jahren durch einen Bericht eines tschechischen Fernsehsenders erneut auf Malloth aufmerksam wurde.

Jiri K. war der letzte Zeuge, der in diesem Prozess gehört wurde. Wegen Krankheit können weitere Zeugen die Strapazen eines solchen Verfahrens nicht auf sich nehmen. Der Prozess wird am kommenden Freitag mit den Plädoyers fortgesetzt. Das Urteil wird für kommende Woche erwartet.

 

Inga Rogg, freie Journalistin

 

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