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Schwäbische Zeitung (18. 5. 2001)

Die Arbeit gegen die Zeit

 

SZ: Wie weit sind Sie bei der Auswertung der Mikrofilme des Einwohnermeldeamtes?

Hecht: Wir sind gerade mittendrin. Fast zwei Drittel sind geschafft. Es sind hunderte von Daten, die ausgewertet werden müssen.

SZ: Wer wertete die Daten aus?

Hecht: Die Auswertung erfolgt unter Leitung von Herrn Mager. Außerdem wurden uns für diese Arbeit extra zwei Teilzeitkräfte zur Verfügung gestell, die mit der Datenerfassung vertraut sind.

SZ: Gibt es Zahlen darüber, wieviel Prozent der ehemaligen Zwangsarbeiter noch erreicht werden können?

Hecht:Das kann man schwer sagen. Es ist vor allem ein demographisches Problem. Die Lebenserwartung dieser inzwischen recht betagten Menschen liegt oft wegen der schwierigen Lebensumstände der Betroffenen unter dem Durchschnitt. Ich rechne mit weniger als einem Achtel pro Jahrgang.

SZ: Bereits vor der Auswertung der Daten des Einwohnermeldeamtes haben sich ehemalige Zwangsarbeiter gemeldet. Waren es viele?

Hecht: Nein, es handelte sich um Einzelfälle. Aber es wurde versucht, denen, die anfragen, zu bestätigen, dass sie sich während des Krieges in Rottweil aufgehalten haben.

SZ: Sie hatten ins Gespräch gebracht, eine Dokumentation über Rottweiler Zwangsarbeiter zu erstellen. Gibt es da schon konkrete Pläne?

Hecht: Eine solche Dokumentation wird angestrebt. Aber erst müssen die erforderlichen Erhebungen abgeschlossen werden. Diese Dokumentation ist im Zusammenhang mit den Heimattagen für 2003 geplant.

SZ: Sie hatten die Idee, ehemalige Zwangsarbeiter zu den Heimattagen einzuladen.

Hecht: Ja, das ist richtig. Man sollte diesen Menschen eine Gelegenheit geben, die Stätte ihrer schlimmen Plackerei unter besseren Umständen wiederzusehen. Aber was gegen uns arbeitet, ist der Faktor Zeit. Die Menschen sind alt und wollen Rottweil vielleicht gar nicht mehr besuchen. Vielleicht sind aber auch einige dabei, die sich an Menschen, die ihnen damals geholfen haben, erinnern und dann doch kommen wollen.

 

Copyright by Schwäbische Zeitung Online, Gesellschaft für Multimedia mbH & CO.KG - alle Rechte

(Stand: Fr. 18.05.01)

 

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Frankfurter Allgemeine Zeitung Politik 17.5.2001 22:59

 

Zwangsarbeiterentschädigung

Berufungsgericht weist Sammelklagen ab

 

17. Mai 2001 Ein amerikanisches Berufungsgericht hat am Donnerstag das umstrittene Zwangsarbeiter-Urteil der New Yorker Richterin Shirley Wohl Kram revidiert.

Damit wird die Rücknahme aller Bedingungen angeordnet, die von Kram bei der Abweisung der letzten Sammelklage gegen die deutschen Banken gestellt worden waren. Damit sei nun endlich der Weg frei für die Erfüllung aller erforderlichen juristischen Voraussetzungen für die Auszahlung der bereit stehenden 10 Milliarden Mark an ehemalige Zwangsarbeiter und andere NS-Opfer, sagte der New Yorker Opfer-Anwalt Lawrence Kill. Er sehe keinen Grund mehr dafür, dass der Bundestag nun nicht in kurzer Zeit die Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen feststellen könne.

In Prag erklärte der tschechische Regierungsbeauftragten Jiri Sitler dazu: "Damit haben die osteuropäischen Opferverbände ihre Arbeit endgültig getan. Wir erwarten nun mit Spannung die Entscheidung des Bundestags.

 

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Aargauer Zeitung Politik 17.5.2001 19:7

 

Holocaustgelder

Fonds 20 000 Ungarn könnten Anspruch melden

 

Rund 20 000 Ungarn sind berechtigt, Ansprüche an den Holocaust-Entschädigungsfonds der Schweizer Banken zu erheben. Das teilten Vertreter der jüdischen Opferorganisation Claims Conference am Mittwoch vor der Presse in Budapest mit. Bei den meisten Anspruchsberechtigten handelt es sich um ehemalige Zwangsarbeiter und Flüchtlinge beziehungsweise deren Nachfahren, wie Judit Szekely, Leiterin des Budapester Büros der Claims Conference, erklärte. Gemäss dem Bankenvergleich zwischen Schweizer Gross-banken, Sammelklägern und jüdischen Organisationen stellen die Banken 1,25 Milliarden Dollar für Überlebende des Holocaust bereit. Weltweit dürften mehrere hunderttausend Holocaust-Opfer in den Genuss von Entschädigungszahlungen kommen. (sda)

 

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Bremer Nachrichten Politik 17.5.2001 9:30

 

Auszahlung noch im Sommer?

Bundestag will in Kürze Zwangsarbeiter-Entschädigung erörtern

 

Berlin (ap/ah). Der Auszahlungsbeginn der Entschädigungen für ehemalige NS-Zwangsarbeiter rückt offenbar näher. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Wilhelm Schmidt sagte am Mittwoch, der Bundestag wolle Ende Mai über die Zahlungen debattieren. "Wir wollen alles daran setzen, noch vor der Sommerpause mit der Auszahlung zu beginnen", meinte Schmidt. Zugleich äußerte IG-Metall-Chef Klaus Zwickel in Berlin zunehmende Empörung über immer neue Verzögerungen. Der polnische Botschafter in Berlin, Jerzy Kranz, sagte, die ungelöste Entschädigungsfrage belaste die deutsch-polnischen Beziehungen.

Ein Durchbruch wird vom Urteil im New Yorker Berufungsverfahren erwartet, das am Freitag gefällt werden soll. Die Bundesregierung will nach dem Urteil mit der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zusammentreffen. Die Initiative hat unterdessen den Bundestag aufgefordert, die Frist für mögliche Antragsteller um mindestens drei Monate zu verlängern. Ursprünglich sollte die Antragsfrist bereits im August auslaufen. Nun soll sie um mindestens ein Vierteljahr ausgeweitet werden mit der Option einer weiteren Verlängerung. Die Vertreter der Fraktionen signalisierten bereits Zustimmung.

Die Forderung nach zügigem Auszahlungsbeginn wurde auch vom Vorsitzenden des Vereins "Gegen Vergessen - Für Demokratie", dem ehemaligen Bremer Bürgermeister Hans Koschnick, unterstützt. Der SPD-Politiker forderte das Parlament auf, sich nicht länger von US-Gerichten abhängig zu machen. "Ausreichende Rechtssicherheit" besteht laut Koschnick längst, so weit es Klagen ehemaliger Zwangsarbeiter betrifft. Der Vorsitzende der Stiftungsinitiative, Manfred Gentz, forderte dagegen die Niederschlagung einzelner US-Prozesse. Er sagte, dies sei "kein Trick der deutschen Wirtschaft", sondern vertragliche Vereinbarung mit allen Beteiligten.

Der Regierungsbeauftragte Otto Graf Lambsdorff wies Zwickels Kritik zurück, dass die Stiftungsinitiative ihren Beitrag von fünf Milliarden Mark noch nicht an die Stiftung überwiesen habe. Dazu sei sie erst bei Vorliegen der Rechtssicherheit verpflichtet. Zwickel hatte vorgerechnet, dass die Initiative damit 160 Millionen Mark Zinsen verdient habe, die den Zwangsarbeitern vorenthalten würden.

 

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Zürich Express Politik 17.5.2001 22:41

 

Die Entschädigung für deutsche Zwangsarbeiter rückt immer näher

NEW YORK - Ein US-Berufungsgericht hat das umstrittene Zwangsarbeiter-Urteil der New Yorker Richterin Shirley Kram revidiert. Es ordnete die Rücknahme aller Bedingungen an, die Kram bei der Abweisung der letzten Sammelklage gegen die deutschen Banken gestellt hatte. Damit ist eine weitere Etappe auf dem Weg zur immer wieder verzögerten Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter durch die deutsche Wirtschaft geschafft.

Die Zahlungen in einer Gesamthöhe von 10 Milliarden Mark können erst beginnen, wenn die deutsche Wirtschaft in den USA keine Klagen mehr fürchten muss. (17. Mai 2001 22:25)

 

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Tagesschau Vermischtes 17.5.2001 22:32

 

US-Berufungsgericht weist Sammelklagen gegen deutsche Banken ab

 

Ein Berufungsgericht in New York hat die Sammelklagen ehemaliger NS-Zwangsarbeiter gegen deutsche Banken abgewiesen. Die drei Berufungsrichter verwarfen die Auflagen, die die US-Richterin Shirley Kram gestellt hatte und befanden, dass Kram ihre Befugnisse überschritten habe. Dies wurde aus Kreisen des Regierungsbeauftragten Otto Graf Lambsdorff bestätigt.

Mit der Abweisung der Klage ist ein wichtiges juristisches Hindernis aus dem Weg geräumt und der Termin zur Auszahlung der Entschädigungen an noch lebenden ehemalige NS-Zwangsarbeiter ein Stück näher gerückt. Nach Ansicht des Opfer-Anwaltes Lawrence Kill bestehe nun kein Grund mehr dafür, dass der Bundestag nicht in kurzer Zeit die Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen feststellen könne.

Die Abweisung von Klagen ist eine Voraussetzung für die Feststellung der von der Wirtschaft geforderten Rechtssicherheit. Noch sind aber weitere Klagen vor US-Gerichten anhängig. Lambsdorff wolle sich mit Bundeskanzler Gerhard Schröder treffen, hieß es. Dabei soll zur Sprache gebracht werden, in wieweit die Rechtssicherheit deutscher Unternehmen vor weiteren Klagen festgestellt werden kann.

Die deutsche Wirtschaft und der Bund haben für die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter je fünf Milliarden Mark bereitgestellt. Richterin Kram hatte in ihrem Urteil die Ansprüche an deutsche und österreichische Banken verknüpft. Regierung und Wirtschaft hatten dies als nicht akzeptable Bedingung zurückgewiesen.

Gibowski begrüßt Entscheidung

Der Sprecher des Zwangsarbeiterfonds der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski, begrüßte die Verfügung und bezeichnete sie "als wichtigen Schritt". Es sei "gut und richtig, dass dieses Hindernis aus dem Weg geräumt ist", meinte er.

Allerdings wies Gibowski darauf hin, dass noch weitere Fälle abgewartet werden müssten. Die Revision des Urteils reiche "definitiv und leider" noch nicht aus, um Rechtssicherheit feststellen zu lassen. Es handele sich dabei aber nur noch um wenige Fälle und er sei sicher, dass diese schnell abgewiesen würden.

Beck sieht Voraussetzung für Rechtssicherheit gegeben

Nach Auffassung des rechtspolitischen Sprechers der Grünen, Volker Beck, sind nun die Voraussetzung gegeben, dass der Bundestag Rechtssicherheit feststellen kann. Es dürfe jetzt keine Diskussion mehr darüber geben, ob noch weitere Verfahren abgewartet werden müssten, sagte Beck. Damit könnten noch vor der Sommerpause die ersten Entschädigungen gezahlt werden.

Auch der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Ludwig Stiegler erklärte, mit der erfolgreichen Berufung gegen die Entscheidungen der Richterin Kram sei das größte Hindernis auf dem Wege zur raschen Entschädigung der Zwangsarbeiter aus dem Weg geräumt. Er werde deshalb dafür eintreten, dass der Bundestag unverzüglich ausreichende Rechtssicherheit im Sinne des Stiftungsrechts erkläre.

Der Sprecher des Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte, Lothar Evers, erklärte, mit der Entscheidung entfalle "die letzte Ausrede für die weitere Verzögerung der Auszahlungen an ehemalige NS-Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter".

 

Stichwort: Rechtssicherheit

Entschädigung für NS-Zwangsarbeiter - Themenpaket der tagesschau

 

(c) ARD-aktuell

 

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Junge Welt - Inland

18.05.2001

 

Kommunen zahlen freiwillig

Freiburg und Tübingen wollen NS-Zwangsarbeiter aus eigenen Mitteln entschädigen

 

Weil sich die Auszahlung der Gelder, die beim Stiftungsfonds der deutschen Wirtschaft für die ehemaligen NS- Zwangsarbeiter bereitliegen, auf nicht absehbare Zeit verzögert, handeln jetzt auch im Südwesten immer mehr Kommunen auf eigene Faust. Sie wollen die Arbeitssklaven, die in der Nazi-Zeit in ihrer Stadt schuften mußten, mittels städtischer Fonds direkt entschädigen.

Das jüngste Beispiel ist Freiburg im Breisgau. Jeder ehemalige Zwangsarbeiter der Stadt soll eine einmalige Summe von 5 000 Mark erhalten - unabhängig von zu erwartenden Zahlungen aus dem zentralen Stiftungsfonds. Dies beschloß der Freiburger Gemeinderat am Dienstag einstimmig. "Schnelle Hilfe, die sich nicht hinter bürokratischen Verfahren verschanzt, ist für die in aller Regel in armen Verhältnissen lebenden Menschen unabdingbar", erklärte Oberbürgermeister Rolf Böhme (SPD). 200 000 Mark stellt die Stadt für das Sonderkonto bereit, auf das auch einzelne Bürger einzahlen können.

Den Anfang hatte Tübingen gemacht. Auf Antrag der PDS-Fraktion, die nach anfänglichem Zögern von CDU und Grünen unterstützt wurde, beschloß der Gemeinderat Anfang April, frühere Zwangsarbeiter aus städtischen Mitteln zu entschädigen.

"Wir wollen mit diesem Schritt erreichen, daß die Zwangsarbeiter noch zu Lebzeiten etwas erhalten", sagte Oberbürgermeisterin Brigitte Russ-Scherer (SPD). Zwölf Nazi-Opfer aus Polen, Rußland und der Ukraine, die als Waldarbeiter, Verwaltungshilfskraft, im Gaswerk oder in der Küche Frondienste leisten mußten und deren aktuelle Adressen bekannt sind, sollen noch in diesem Jahr eine Summe von je 5 000 Mark erhalten. Beantragt hatte die PDS allerdings 15 000 Mark.

Der Kreis der Empfänger beschränkt sich in Tübingen auf diejenigen, die unmittelbar bei städtischen Dienststellen arbeiten mußten. In Freiburg entschied man sich dagegen dafür, alle im Stadtgebiet eingesetzten Zwangsverschleppten zu berücksichtigen. Bislang haben sich 90 der rund 6 500 Betroffenen gemeldet.

"Hier geht es um Menschen, da können wir nicht kleinlich sein", brachte es eine Stadträtin der Grünen auf den Punkt und votierte für die Auszahlung an alle bisher bekannten 37 ehemaligen Arbeitssklaven in der Universitätsstadt. Abgelehnt wurde indes der Antrag, auch die Freiburger Unternehmen zur Zahlung in den städtischen Topf zu verpflichten. Auch der Antrag, den Einzelbetrag auf 10 000 Mark aufzustocken, fand keine Mehrheit.

Bislang sind solche Initiativen jedoch eher die Ausnahme. In der baden-württembergischen Landeshauptstadt scheiterte kürzlich ein Antrag des PDS-Stadtrates Siegfried Deuschle, die ehemaligen Zwangsarbeiter Stuttgarts mit je 15 000 Mark zu entschädigen. Und auch in Karlsruhe fand ein entsprechender Antrag keine Mehrheit. Für die geschätzten 33 Überlebenden hätte Karlsruhe 165 000 Mark zahlen müssen. "Keine große Summe", meint der Antragsteller, PDS-Stadtrat Niko Fostiropoulos. Den übrigen Karlsruher Fraktionen war sie jedoch zu hoch. "Das ist nicht Sache der Stadt", sagte FDP-Fraktionschef Michael Obert. Und SPD-Ratsherr Heinrich Maul lehnte den PDS-Antrag mit der Begründung ab, daß die Industrie demnächst ihren Verpflichtungen nachkomme werde.

Martin Höxtermann, Freiburg

 

(c) junge Welt

 

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Handelsblatt Wirtschaft 18.5.2001 0:3

 

Entscheidung begrüßt

US-Berufungsgericht verfügt Abweisung von NS-Klagen

 

Im Tauziehen um die Abweisung der NS-Sammelklagen gegen die deutschen Banken hat das Berufungsgericht von New York ein Machtwort gesprochen.

 

 

afp NEW YORK/BERLIN. Es befahl der Bundesrichterin Shirley Kram am Donnerstag, die bei ihr anhängigen Klagen ohne Auflagen abzuweisen. Konkret ordnete es die Streichung von zwei Passagen aus Krams jüngstem Bescheid an. Die deutsche Wirtschaft begrüßte den Spruch als wichtigen Schritt. Mit der Entscheidung der Berufungsrichter ist die von den Unternehmen geforderte Rechtssicherheit noch nicht automatisch hergestellt. Der Bundestag muss entscheiden, ob noch der Ausgang weiterer Klagen in den USA abgewartet wird, bevor die ehemaligen Zwangsarbeiter die versprochene Entschädigung erhalten.

Kram hatte die Sammelklagen gegen die Banken zwar vor einer Woche im dritten Anlauf abgewiesen. In ihrer Begründung hatte sie jedoch die bei ihr anhängigen Fälle als letztes Hindernis auf dem Weg zur Feststellung der Rechtssicherheit durch den Bundestag erwähnt. Außerdem hatte sie den Klägern die Möglichkeit gegeben, die Wiederzulassung ihrer Klagen zu beantragen, falls keine Lösung für Ansprüche gefunden wird, für die sich weder Deutsche noch Österreicher zuständig sehen. Beide Passagen wies das Berufungsgericht zurück.

Kein Gericht habe das Recht, sich in die Außenpolitik der Vereinigten Staaten einzumischen oder Bedingungen an ausländische Parlamente zu stellen, befanden die Berufungsrichter unter Verweis auf das Regierungsabkommen über die Zwangsarbeiter-Entschädigung. "Es wäre außerhalb der Befugnis des Gerichts, so auf den Rechten einer Legislative in den Vereinigten Staaten herumzutrampeln", schrieben sie. "Noch weniger hat das Gericht die Macht, solche Akte vom Parlament eines anderen Landes zu verlangen." Ihre kategorische Anordnung begründeten sie mit dem hohen Alter der Holocaust-Überlebenden, die nicht mehr länger auf die Zahlungen warten sollten.

Der Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski, sagte, es sei "gut und richtig, dass dieses Hindernis aus dem Weg geräumt ist". Auch ein Mitarbeiter des deutschen Regierungsbeauftragten Otto Graf Lambsdorff begrüßte die Entscheidung. Nun müssten sich Bundesregierung und Unternehmen zusammensetzen und prüfen, welche relevanten Klagen es noch gebe. Wenn die Auszahlung der versprochenen Entschädigung noch im Sommer beginnen soll, muss der Bundestag vor der Sommerpause die Rechtssicherheit feststellen.

Grundlage für Urteil des Bundestages

Der Grünen-Rechtsexperte Volker Beck hat die Entscheidung als "Durchbruch" bezeichnet. Er sei "persönlich erleichtert" über diese "sehr gute Nachricht", sagte er. "Mit diesem Urteil ist die Grundlage dafür geschaffen, dass der Deutsche Bundestag in den nächsten Wochen ausreichende Rechtssicherheit feststellen kann." Damit könne das erste Geld im August bei den Opfern eintreffen. Beck warnte die deutsche Wirtschaft vor einer weiteren Verzögerung der Auszahlungen. "Diskussionen über möglicherweise relevante Klagen" dürften nicht "geschürt werden mit dem Ziel, dass das den Auszahlungstermin weiter verzögern könnte." "Ich warne die Wirtschaft davor, mit so einer Strategie das Projekt weiter zu verzögern", sagte Beck.

Der Sprecher des Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte, Lothar Evers, erklärte, mit der Entscheidung entfalle "die letzte Ausrede für die weitere Verzögerung der Auszahlungen an ehemalige NS-Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter". Die Entscheidung über das Vorliegen ausreichender Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen gehöre nun umgehend auf die Tagesordnung des Bundestages. Nur dieser, und nicht die Wirtschaft, habe zu entscheiden, ob die Rechtssicherheit ausreichend sei.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Ludwig Stiegler, erklärte, mit der erfolgreichen Berufung gegen die Entscheidungen der Richterin Shirley Kram sei "das größte Hindernis auf dem Wege zur raschen Entschädigung der Zwangsarbeiter aus dem Weg geräumt". Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft müsse "jetzt unverzüglich zahlen", wenn sie "den Rest ihres moralischen Kredits retten will".

 

HANDELSBLATT, Donnerstag, 17. Mai 2001

 

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HANDELSBLATT, Donnerstag, 17. Mai 2001

 

Urteil zur Kram-Klage am Freitag

Weiter harte Fronten bei Zwangsarbeiter-Entschädigung

 

Im juristischen Streit um die Entschädigung der früheren NS-Zwangsarbeiter sind die Fronten weiter hart. Für Freitag wird eine Entscheidung des New Yorker Berufungsgerichtes zu der Klage von US-Bundesrichterin Shirley Kram erwartet, wie am Donnerstag aus Fraktionskreisen in Berlin verlautete.

 

 

Mehr zum Thema: Zwangsarbeiter-Entschädigung

 

Gericht verwirft Beschwerde gegen Zwangsarbeiter-Entschädigung (09.05.)

Weiter Unsicherheit über Beginn der Entschädigung (21.03.)

Lösung bei Zwangsarbeiter-Entschädigung in Aussicht (13.03.)

Zitterpartie geht nach Zwangsarbeiter-Urteil weiter (11.05.)

Bewegung bei Zwangsarbeiter-Entschädigung (09.05.)

Lambsdorff lehnt Ratenzahlungen an Zwangsarbeiter ab (11.04.)

Berufungsgericht greift nicht in Streit um Sammelklage ein (04.04.)

Opferanwältin rechnet mit Revison von Entschädigungsurteil (22.03.)

Wirtschaft sagt volle Entschädigung für Zwangsarbeiter zu (13.03.)

Regierung plant Berufung gegen NS-Zwangsarbeiter-Urteil (08.03.)

Die Kernpunkte des Gesetzes zur Entschädigungs-Stiftung (11.05.)

Schröder gegen Änderung des Stiftungsrechts (11.05.)

Stiftungsinitiative auch nach US-Urteilsspruch "skeptisch" (11.05.)

US-Richterin räumt Hürde im Zwangsarbeiterstreit aus (10.05.)

US-Richter garantiert Rechtssicherheit für 27 Schweizer Firmen (11.04.)

Rechtssicherheit entsteht durch Präzedenzfälle (15.03.)

NS-Zwangsarbeiter: Der mühsame Weg zur Entschädigung (14.03.)

 

 

ddp BERLIN. Sollte das Kram-Urteil" aufgehoben werden, wird damit gerechnet, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die Wirtschaft zur Zustimmung für Entschädigungszahlungen drängen wird, hieß es aus den Fraktionskreisen.

Dagegen pocht der Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski, weiter darauf, dass in den USA neben der "Kram-Klage" noch "einige ganz wenige Klagen" abgewiesen werden müssten. Erst dann könne der Weg für Entschädigungszahlungen freigemacht werden, sagte Gibowski. "Wir sind enttäuscht und wütend, dass die US-Gerichte noch einige Klagen nicht abgewiesen haben", fügte der Sprecher hinzu. Es sei auch Ziel der Wirtschaft, die früheren NS-Zwangsarbeiter so schnell wie möglich zu entschädigen. Dies sei aber nur möglich, wenn internationale Verträge eingehalten und die deutsche Industrie Rechtssicherheit vor weiteren Klagen habe.

Kram hatte in der vergangenen Woche im dritten Anlauf die Sammelklagen von ehemaligen Opfern gegen deutsche Banken abgewiesen. Aus der später bekannt gewordenen Urteilsbegründung ging aber hervor, dass die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft auch Zahlungen für österreichische Banken übernehmen soll. Dies stieß sowohl beim Beauftragten der Bundesregierung, Otto Graf Lambsdorff, als auch bei der Wirtschaft auf heftigen Widerstand. Die Hoffnungen richten sich nun darauf, dass im Zuge des Verfahrens vor dem New Yorker Berufungsgericht die "Kram-Klage" ohne Bedingungen abgewiesen wird.

 

HANDELSBLATT, Donnerstag, 17. Mai 2001

 

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TAZ Vermischtes 17.5.2001 23:29

 

Zu viel Justiz macht blind

 

Shirley Kram, Richterin in New York, wies die Klagen gegen deutsche Banken ab. Ein umstrittenes Urteil, das diverse Interpretationen zulässt. Nach Auffassung eines Berufungsrichters hat sich Kram damit vergaloppiert. Unterdessen tun die Banken so, als hätten sie alle Zeit der Welt

NEW YORK taz Der Gerichtssaal des Second Circuit Court of Appeals ist zum Bersten voll. Wer keinen Platz gefunden hat, steht in der Tür oder lehnt an der Mahagonitäfelung. "In Sachen Holocaust-Klagen gegen österreichische und deutsche Banken", verkündet der Gerichtsdiener. Drei Richter leiten die Berufungsverhandlung .

Sie ist die jüngste Folge im Drama um den Rechtsfrieden, den die deutsche Wirtschaft als Gegenleistung für ihre Zahlungen an ehemalige NS-Zwangsarbeiter verlangt. Zur Debatte stand am Dienstag in New York die Entscheidung der Richterin Shirley Kram, die Sammelklagen gegen die deutschen Banken in Erwartung vager Gegenleistungen abzuweisen. Die Wirtschaft fordert bedingungslose Abweisung. Vor allem zwei Passagen aus dem Urteil sind umstritten. Wie "Falltüren" führten sie geradewegs wieder in Krams Gerichtssaal, unkte Jeffrey Barist, der Anwalt der Deutschen Bank.

Der Berufungsrichter José Cabranas interpretierte die Formulierungen hingegen als "Feigenblatt" für die Richterin. Sie habe sich im Streben nach Berücksichtigung aller Klägergruppen wohl vergaloppiert.

Im dritten Jahr seit den ersten Sammelklagen gegen deutsche Unternehmen sind die Schicksale der Opfer in den Hintergrund getreten. Immer stärker stellt sich die Frage, ob deutsches und amerikanisches Rechtsverständnis überhaupt kompatibel sind. Während sich die einen auf Punkt und Komma absichern wollen, suchen die anderen nach gesichtswahrenden Grauzonen. Auch wenn die deutsche Wirtschaft und die überwiegend jüdischen Kläger seit der Einigung auf zehn Milliarden Mark Entschädigung auf einer Seite stehen - das gegenseitige Misstrauen sitzt tief.

Nehmen wir Michael Hausfeld, der sich bei der Berufungsverhandlung auf dem letzten Stuhl in der hinteren Ecke des Gerichtssaals versteckte. Dem erfolgreichen Washingtoner Anwalt wird vorgeworfen, dass er mit David Boies kungelt, dem Rechtsbeistand der Richterin. Wie sonst ist zu erklären, dass Kram vergangene Woche einen Kompromiss aus Hausfelds Feder akzeptierte und im dritten Anlauf die Sammelklagen gegen die deutschen Banken doch noch abwies?

Auch diesmal traten Boies und die Klägeranwälte eher als Verbündete denn als gegnerische Parteien auf. Die Lösung, auf die sie hinarbeiteten: die Kram-Entscheidungen werden nicht kassiert, sondern ihr jüngstes Urteil wird korrigiert. Dem Rechtsbeistand der Richterin war anzumerken, dass seine Mandantin nichts lieber wünscht, als sich des Falls ein für alle Mal zu entledigen.

Der Anwalt der Deutschen Bank nahm darauf keine Rücksicht. Alles oder nichts, lautete sein Marschbefehl. Im Streit um die Rechtssicherheit gebärdet sich die deutsche Wirtschaft, als hätte sie alle Zeit der Welt, um auch noch die letzte Einzelklage gerichtlich klären zu lassen. Aus US-Sicht ist ein gewisses Restrisiko hingegen normal. Niemand kann Kläger daran hindern, immer wieder ihr Glück bei den Gerichten zu versuchen. "Vielleicht ist unser Rechtssystem der deutschen Seite einfach zu fremd?", mutmaßte der Berufungsrichter James Oakes.

Im 15. Stock des Berufungsgerichts wagte jedenfalls keiner mehr, offen Optimismus zu zeigen. Zu oft tauchten nach einem vermeintlichen Durchbruch wieder neue Hindernisse auf. "Es ist, wie wenn man sich einem Horizont nähert", sagte Hausfeld. "Jedes Mal, wenn man anzukommen glaubt, rutscht er wieder weg." ELLY JUNGHANS

taz Nr. 6448 vom 17.5.2001, Seite 8, 127 Zeilen TAZ-Bericht ELLY JUNGHANS

 

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taz Nr. 6448 vom 17.5.2001

 

Lambsdorff nur noch ein Lobbyist?

 

US-Richterin Kram stellt klar: Abweisung der letzten großen Sammelklage gegen deutsche Banken erfolgte ohne Bedingungen. Vertreter der Zwangsarbeiter glaubt an eine "gezielte Desinformation" durch den Kanzlerbeauftragten Otto Graf Lambsdorff

von NICOLE MASCHLER

 

Es ist nicht das erste Mal, dass sich US-Richterin Shirley Kram missverstanden fühlt. Sie habe nur die Interessen der Zwangsarbeiter im Auge, hatte sie die zweimalige Nichtabweisung der letzten großen Sammelklage gegen deutsche Banken in den vergangenen Monaten begründet.

Nun fühlt sie sich wieder falsch interpretiert: Sie habe die letztlich doch erfolgte Abweisung der Klage am vergangenen Donnerstag mitnichten an Bedingungen geknüpft, ließ die Richterin am Dienstag über ihren Anwalt David Boies ausrichten. Vielmehr sei die Entscheidung in Deutschland falsch aufgenommen worden - so soll es Boies gegenüber Lothar Evers vom Bundesverband Information und Beratung NS-Verfolgter dargestellt haben.

Der strittige Passus in der Urteilsbegründung sei nur eine Vorbemerkung der Richterin gewesen, sagte Evers. Das eigentliche Urteil beginne erst ein paar Sätze später - und dort sei von Bedingungen, etwa von der Aufnahme der Ansprüche österreichischer Opfer ins deutsche Stiftungsrecht, nicht die Rede. Evers sieht eine "gezielte Desinformation" durch den Kanzlerbeauftragten Otto Graf Lambsdorff. Dieser habe sich von der Stiftungsinitiative der Wirtschaft einschüchtern lassen.

Mit der Entscheidung in New York war die Entschädigung in greifbare Nähe gerückt. Selbst Kanzler Schröder sah den Weg für die Zahlungen frei: Hundertprozentige Rechtssicherheit "wird man nie kriegen". Bundestagspräsident Wolfgang Thierse ging noch weiter: Notfalls müsse das Stiftungsgesetz geändert werden. Der Bund könne dann bereits seinen Beitrag freigeben.

Doch das Finanzministerium fürchtet, dass der Bund dann alleine auf den zehn Milliarden Mark Entschädigung sitzen bleibt. Der Sprecher der Stiftungsinitiative, Wolfgang Gibowski, scheute sich nicht, laut darüber nachzudenken, dass die Firmen bei einem Scheitern des Projekts ihr Geld zurückfordern könnten. "Der Bund ist einfach erpressbar", glaubt Evers.

Lambsdorff betonte am Wochenende immer wieder, dass Krams Bedingungen auch für die Regierung unannehmbar seien - und machte sich damit die Sichtweise der Wirtschaft zu Eigen. Diese setzt auf die Berufung in Sachen Kram, die seit Montag in New York läuft. Die Stiftungsinitiative wolle das Verfahren hinauszögern, glaubt Evers. Es sei für sie "ein Schutzschild" - gegen eine Auszahlung. Nach der Drohung der Wirtschaft machte auch der Kanzler flugs einen Schritt zurück: Eine Gesetzesänderung werde es nicht geben. Die Regierung hofft weiter auf eine einvernehmliche Lösung.

Im Bundestag herrscht Ratlosigkeit. Für gestern Abend war ein Gespräch zwischen den Berichterstattern der Fraktionen sowie der Rechtsarbeitsgruppe der Stiftungsinitiative angesetzt. Dort wollten die Abgeordneten noch einmal versuchen, sich mit der Wirtschaft ins Benehmen zu setzen. SPD und Grüne haben sich darauf verständigt, noch bis Ende des Monats abzuwarten und erst dann über eine Gesetzesänderung zu entscheiden.

"Die Union hat sich absentiert", so der Grüne Volker Beck gestern zur taz. Zwar hatte auch Fraktionsvize Wolfgang Bosbach von einem raschen Beginn der Entschädigung gesprochen - unter der Voraussetzung, dass das Stiftungsgesetz geändert würde. Aber, so Beck, davon sei bei einem Treffen am Dienstag keine Rede mehr gewesen. Noch warten die Abgeordneten offenbar auf ein Signal von Lambsdorff. Dabei, so sein Sprecher, sei mitnichten ein Brief des Beauftragten für die Parlamentsentscheidung nötig. "Der Bundestag ist souverän." Doch mit der Wirtschaft will es sich keiner verderben.

taz Nr. 6448 vom 17.5.2001, Seite 8, 121 Zeilen TAZ-Bericht NICOLE MASCHLER

 

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Financial Times Politik 17.5.2001 23:22

 

NS-Sammelklagen: Mehr Rechtssicherheit für deutsche Industrie

ftd.de, Do, 17.5.2001, 20:57

 

NS-Sammelklagen: Mehr Rechtssicherheit für deutsche Industrie

Das Berufungsgericht in New York hat die Abweisung der NS-Sammelklagen gegen die deutschen Banken verfügt.

Die drei Berufungsrichter verwarfen am Donnerstag die Auflagen, die Bundesrichterin Shirley Kram gestellt hatte. Damit ist eine weitere Etappe auf dem Weg zur immer wieder verzögerten Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter durch die deutsche Wirtschaft geschafft. Die Zahlungen können erst beginnen, wenn die deutsche Wirtschaft in den USA keine Klagen mehr fürchten muss.

(c) AFP 2001

 

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Tagesspiegel Politik 17.5.2001 22:56

 

Zwangsarbeiter-Entschädigung

 

Volker Beck im Interview: "Im Bundestag gibt es kein Halten mehr"

Der Grünen-Politiker über die Möglichkeiten, rasch mit der NS-Entschädigung zu beginnen

 

Volker Beck (40), rechtspolitischer Sprecher der Grünen, setzt sich seit Jahren für die Entschädigung ein.

 

Herr Beck, wann werden die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter endlich ihre Entschädigung auf dem Konto haben?

 

Für uns Grüne ist klar: Vor der Sommerpause muss der Bundestag die rechtlichen Voraussetzungen für den Beginn der Auszahlung schaffen. Dann könnten die ersten Zahlungen im August bei den Opfern ankommen. Das wird auch höchste Zeit.

 

Die Grünen wollen das Entschädigungs-Gesetz ändern - falls es keine Einigung mit der Wirtschaft über die Rechtssicherheit gibt. Was versprechen Sie sich davon?

 

Nach der geltenden Rechtslage muss der Bundestag "ausreichenden" Schutz für deutsche Firmen vor Klagen in den USA feststellen, damit die Stiftung auszahlen darf. Ich meine, eine solche Entscheidung wäre gegenwärtig auch zu verantworten. Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft hat sich aber bisher noch nicht von ihren Maximalforderungen verabschiedet. Sie fordert weiterhin die Abweisung aller in Amerika anhängigen Klagen. Wenn das Berufungsgericht in New York jedoch am heutigen Freitag bei den Bankenklagen erklären sollte, dass an die Abweisung nur die Bedingung einer baldigen Auszahlung der zehn Milliarden Mark geknüpft ist, wird es im Bundestag kein Halten geben: Wir werden die Rechtssicherheit umgehend feststellen!

 

Was möchten Sie im Gesetz ändern?

 

Wenn wir der Bundesstiftung durch eine Gesetzesänderung die Auszahlung einer ersten Rate an die Zwangsarbeiter gestatten würden, könnten in aller Ruhe die noch offenen juristischen Fragen in den USA geklärt werden, ohne dass die Opfer die Leidtragenden sind. Es gibt jetzt nur zwei Lösungen: schnelle Feststellung der Rechtssicherheit oder Abkopplung des Auszahlungsbeginns von der Rechtssicherheit durch ein geändertes Stiftungsgesetz.

 

Der Bundeskanzler, die CDU und einige SPD-Abgeordnete halten nichts von einem überarbeiteten Gesetz. Sie befürchten, dass sich die Auszahlung an die Zwangsarbeiter noch weiter verzögern könnte. Ist das berechtigt?

 

Bei gemeinsamen Willen dauert die Gesetzesänderung im Bundestag zwei Wochen. Sie könnte am 20. Juli den Bundesrat passieren und am 1. August in Kraft treten. Wir müssen das Gesetz übrigens noch aus einem anderen Grunde ändern: Am 12. August diesen Jahres läuft die Antragsfrist aus. Undenkbar, dass man künftig sagt, bisher gab es zwar noch kein Geld, aber ihr hättet den Antrag stellen müssen. Wer erst im August 2001 kommt, ist zu spät und hat Pech gehabt. Das wäre bürokratischer Zynismus!

 

Viele befürchten zudem, dass sich die deutsche Wirtschaft aus der Verantwortung stehlen könnte. Glauben Sie das auch?

 

Das halte ich für undenkbar.

 

Aber besteht nicht die Gefahr, dass Finanzminister Eichel auch die fünf Milliarden Mark der Wirtschaft aus der Staatskasse, also aus Steuergeldern, wird aufbringen müssen?

 

Nein. Wenn die Wirtschaft sich weigert, ihren Verpflichtungen nachzukommen, würden alle bereits abgewiesenen Klagen wieder aufleben und an die Opfer nur der Bundesanteil ausgezahlt. Die Wirtschaft käme rechtlich und politisch in den USA erheblich unter Druck. Und die öffentliche Meinung in Deutschland und im Ausland würde sich noch mehr gegen sie wenden, als es schon der Fall ist. Den Bund, der ja seinen Verpflichtungen schon voll nachgekommen ist, kann keiner dazu bringen, den Teil der Wirtschaft auch noch zu übernehmen.

 

Das Gespräch führte Christian Böhme.

 

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Bonner Rundschau Politik 18.5.2001 0:42

 

NS-Zwangsarbeiter

Kram muss Klagen abweisen

 

New York. (afp) Das Berufungsgericht in New York hat die Abweisung der NS-Sammelklagen gegen die deutschen Banken verfügt.

 

Die Richter wiesen die Bundesrichterin Shirley Kram gestern an, die Klagen ohne Auflagen abzuweisen. Damit ist eine weitere Etappe auf dem Weg zur immer wieder verzögerten Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter durch die deutsche Wirtschaft geschafft.

 

Die Zahlungen können erst beginnen, wenn die deutsche Wirtschaft in den USA keine Klagen mehr fürchten muss.

 

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Reuters Politik 18.5.2001 2:26

 

US-Gericht ordnet Änderung von Zwangsarbeiterurteil an

Zuletzt aktualisiert: 17 Mai 2001 21:28 GMT+00:00 (Reuters)

 

 

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New York (Reuters) - Ein Berufungsgericht in New York hat am Donnerstag eine Änderung des Urteils zur Abweisung von Sammelklagen gegen deutsche Banken angeordnet, das die Entschädigung ehemaliger NS- Zwangsarbeiter blockiert. Das Gericht befand, dass die New Yorker Richterin Shirley Wohl Kram mit ihrem Urteil vom 10. Mai ihre Befugnisse überschritten habe. Kram hatte die Abweisung der Sammelklagen an Auflagen geknüpft, die nach deutschem Recht nicht erfüllbar sind. Anwälte der Opfer und der deutschen Wirtschaft begrüßten die Entscheidung des Berufungsgerichts. Der rechtspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, Volker Beck, forderte nach dem Urteil eine Freigabe der Entschädigungszahlungen.

Das Berufungsgericht erklärte, Kram habe versucht, eine internationale Vereinbarung zwischen Deutschland und den USA zur Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter zu ändern. Kram hatte die Abweisung der Klagen mit Ansprüchen österreichischer Opfer verknüpft, die aus dem deutschen Entschädigungsfonds gezahlt werden sollen. Dies haben die Bundesregierung und die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zur Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter mit der Begründung abgelehnt, dass dazu das Stiftungsgesetz geändert werden müsste.

Die drei Richter des Berufungsgerichts wiesen Kram an, zwei Paragraphen zu überprüfen, in denen es um die Auflagen geht. Das Berufungsgericht erkannte damit offenbar an, dass Kram ihr Urteil in guter Absicht gefällt, jedoch ungewollt Probleme verursacht habe. "Es würde außerhalb der Befugnisse des Gerichts sein, die Vorrechte eines Gesetzes in den USA zu behindern. Noch weniger hat das Gericht die Macht, ein solches Vorgehen von der Gesetzgebung eines ausländischen Souveräns zu fordern", hieß es in der 18-seitigen Urteilsbegründung.

Die Abweisung der Klagen gegen deutsche Banken in den USA ist eine Voraussetzung für die Feststellung der Rechtssicherheit durch den Bundestag. Diese wiederum ist Bedingung für die Freigabe der Zahlungen an die etwa eine Million noch lebenden ehemaligen NS-Zwangsarbeiter. Die Wirtschaft besteht allerdings darauf, dass weitere Klagen abgewiesen werden. Der Bund und die deutsche Wirtschaft haben je fünf Milliarden Mark in den Entschädigungsfonds eingezahlt.

Der Sprecher deutscher Unternehmen, Andrew Frank, sagte in New York, es scheine, dass das Berufungsgericht eine Entscheidung umgekehrt habe, "von der wir dachten, dass sie ein Hindernis für den Rechtsfrieden und zeitige Zahlungen an die Überlebenden war". Der Anwalt einiger Opfer, Bob Swift, sagte: "Amerikanische Anwälte hätten ihre Arbeit gemacht und nun ist es Zeit, dass die deutsche Industrie ihr (Geld) bereitstellt und ihre Verzögerungen beendet."

In einer Stellungnahme Becks hieß es: "Die Abweisung der Sammelklagen im Bereich der Banken hat die Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen dramatisch erhöht." Der Bundestag müsse "in den nächsten Wochen" ausreichende Rechtssicherheit feststellen, damit die Entschädigungszahlungen beginnen könnten. Beck fügte hinzu: "Eine weitere Diskussion über angeblich noch 'relevante weitere Klagen' darf nicht mit dem Ziel geführt werden, den Auszahlungstermin weiter zu verzögern."

Der Sprecher des Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte, Lothar Evers, forderte in einer Stellungnahme, mit den Auszahlungen zu beginnen. Mit der Entscheidung in New York entfalle "die letzte Ausrede für die weitere Verzögerung der Auszahlungen". Die Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen sei "schon lange und jetzt erst recht" ausreichend. "Jetzt muss gezahlt werden."

 

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Neue Zürcher Zeitung Politik 18.5.2001 2:15

 

US-Gericht ordnet Änderung des Zwangsarbeiter-Urteils an

 

New York, 17. Mai. (Reuters) Ein Berufungsgericht in New York hat am Donnerstag eine Änderung des Urteils zur Abweisung von Sammelklagen gegen deutsche Banken angeordnet, das die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter blockiert. Das Gericht befand, dass die New Yorker Richterin Shirley Wohl Kram mit ihrem Urteil vom 10. Mai ihre Befugnisse überschritten habe. Kram habe versucht, eine internationale Vereinbarung zwischen Deutschland und den USA zur Entschädigung ehemaliger NS- Zwangsarbeiter zu ändern. Sie hatte ihr Urteil an Auflagen geknüpft, die nach Ansicht der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft nicht erfüllbar sind. Die Abweisung der Klagen gegen deutsche Banken ist eine Voraussetzung für die Feststellung der Rechtssicherheit durch den Bundestag und damit für die Freigabe der Zahlungen.

 

18. Mai 2001

 

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Rheinische Post Politik 18.5.2001 2:1

 

Weg frei für die Auszahlung

US-Gericht ordnet Abweisung von Sammelklage ohne Bedingungen an

 

New York (rpo). Das umstrittene Zwangsarbeiter-Urteil der New Yorker Richterin Shirley Wohl Kram ist von einem amerikanischen Berufungsgericht revidiert worden. die Instanz ordnete die Rücknahme aller Bedingungen an, die von Kram bei der Abweisung der letzten Sammelklage gegen die deutschen Banken gestellt worden waren.

Damit sei nun endlich der Weg frei für die Erfüllung auch der letzten noch ausstehenden juristischen Voraussetzungen für die Auszahlung der bereitstehenden 10 Milliarden Mark an etwa 1,5 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter und andere NS-Opfer, sagte der New Yorker Opfer-Anwalt Lawrence Kill der dpa.

Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zeigte sich "erfreut und befriedigt". Ihr Sprecher Wolfgang Gibowski wies in Berlin aber darauf hin, dass noch weitere Fälle abgewartet werden müssten. Die Revision des Urteils reiche "definitiv und leider" noch nicht aus, um Rechtssicherheit feststellen zu lassen, sagte Gibowski der dpa. Es gehe jetzt allerdings nur noch um wenige Fälle. Er habe deshalb die Erwartung, "dass es schnell gehen wird".

Nach Auffassung des rechtspolitischen Sprechers der Grünen, Volker Beck, ist nun die Voraussetzung gegeben, dass der Bundestag Rechtssicherheit feststellen kann. Es dürfe jetzt keine Diskussion mehr darüber geben, ob noch weitere Verfahren abgewartet werden müssten, sagte Beck in Berlin. Damit könnten noch vor der Sommerpause die ersten Entschädigungen gezahlt werden.

"Sehr schnell zugestimmt"

Anwalt Kill erläuterte weiter, das Berufungsgericht habe "sehr schnell", nämlich nur zwei Tage nach der Anhörung der Anwälte der NS- Opfer sowie der deutschen Banken und der US-Regierung deren Argumentation in den wesentlichen Punkten zugestimmt. Obwohl die schriftliche Begründung der Revision noch gründlich ausgewertet werden müsse, sei klar, dass die Richterin Kram nun ihren Spruch zu korrigieren habe. Unklar blieb zunächst, wann dieser Schritt erfolgt.

Insbesondere sei Kram aufgefordert worden, die von den Opfern selbst gewünschte Abweisung der Sammelklage gegen die deutschen Banken nicht mehr an Voraussetzungen wie etwa an eine Verknüpfung mit österreichischen Ansprüchen zu binden. Dagegen waren die Anwälte der NS-Opfer gemeinsam mit denen der Banken und der US-Regierung in Berufung gegangen.

In Prag erklärte der tschechische Regierungsbeauftragte Jiri Sitler dazu: "Damit haben die osteuropäischen Opferverbände ihre Arbeit endgültig getan. Wir erwarten nun mit Spannung die Entscheidung des Bundestages."

 

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